Bei einer Bevölkerungsvorausberechnung wird der Bevölkerungsstand eines Gebiets, in diesem Fall der Stadt Dortmund und ihrer Stadtbezirke, für einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt geschätzt. Dafür sind begründete Annahmen erforderlich, wie sich die einzelnen demographischen Gruppen in der Zukunft entwickeln werden. Die quantitativen Entwicklungen der Vergangenheit sind in den Kommunalstatistiken kleinräumig und gut dokumentiert, doch lassen sich diese nicht problemlos in die Zukunft fortschreiben. Wichtige intervenierende Effekte sind insbesondere solche, die zu stark divergierenden Wanderungsbewegungen führen, wie in den letzten Dekaden etwa der Strukturwandel im Ruhrgebiet, die EU-Freizügigkeit oder humanitäre Krisen mit einem hohen Aufkommen Schutzsuchender. Rezent kommt noch die Corona-Pandemie mit ihren unkalkulierbaren gesellschaftlichen und demographischen Konsequenzen hinzu. Damit zeigt sich das Problem prognostischer Verfahren: Zwar kann begründet werden, bei welchen Trends es sich um stabile handelt, doch kann eine Aussage niemals über einen probabilistischen Charakter hinausgehen.
Grundlegend für die Vorausberechnung sind der Bevölkerungsstand sowie die Bevölkerungsbewegungen der Jahre 2016 bis 2020, dem sogenannten Stützzeitraum. Der Bevölkerungsstand bezeichnet die Hauptwohnbevölkerung zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres in der Stadt Dortmund unterteilt nach den zwölf Stadtbezirken. Die Bevölkerungsbewegungen sind die Stellschrauben der künftigen Entwicklung und umfassen die Außenwanderungen, also die Zu- und Fortzüge über die Dortmunder Stadtgrenze, sowie die Binnenwanderungen, das bedeutet die Umzüge zwischen den einzelnen Stadtbezirken und ferner die Geburten- und Sterbezahlen.
Auf der Basis der Entwicklungen dieser Zahlen werden begründete Annahmen für Zielwerte im Berechnungszeitraum getroffen. Die prozessproduzierten Daten aus dem Stützzeitraum sowie die Zahlen, die aus den Annahmen erwachsen, werden mit Hilfe der Software SIKURS verarbeitet, die daraus den Bevölkerungsstand errechnet. Das Computerprogramm ist ein Produkt der KOSIS-Gemeinschaft im Verband Deutscher Städtestatistiker und wird in zahlreichen Kommunen in Deutschland zu ebendiesem Zweck eingesetzt. Auf der Grundlage der Ausgangsdaten sowie den Zielannahmen erfolgt die Berechnung des Zielwerts mit Hilfe einer Trendfortschreibung, wobei zunächst davon ausgegangen wird, dass die Bevölkerungsbewegungen aus dem Stützzeitraum eine strukturell ähnliche Fortsetzung finden.
In diesem Szenario werden stabile Entwicklungen bzw. Effekte zugrunde gelegt. So speist sich der Außenwanderungsüberschuss der letzten Jahre, großstadttypisch, aus den (aus-)bildungsbedingt Wandernden im jungen Erwachsenenalter sowie auch dem Zuzug von Personen ohne die deutsche Staatsbürgerschaft etwa im Rahmen der EU-Freizügigkeit. Anzunehmen ist, dass Dortmund weiterhin ein exponierter (Aus-)Bildungsstandort bleiben wird und entsprechende Zuwanderung generiert. Ebenso wird von einer stabilen EU-Binnenwanderung ausgegangen. Auch beim Fortzugsverhalten spielt die wanderungsaffine Altersgruppe der jungen Erwachsenen eine große Rolle, und auch hier ist von einem ähnlichen Wanderungsgrund auszugehen, der sich auch in der nahen Zukunft nicht deutlich ändern dürfte. Zusammengefasst wird von einer weitgehenden Stabilisierung des Zu- und Fortzugsniveaus über die Stadtgrenzen hinaus auf dem Niveau vor Corona-Krise und der Geflüchtetenbewegung ausgegangen, das zwischen 2022 und 2030 weitgehend konstant bleibt. Für 2021 wird auf Grund der Corona-Beschränkungen ein weiteres Jahr mit gedämpfter Wanderungstätigkeit, wie 2020, zugrunde gelegt, während 2022 (wanderungstechnisch) nicht mehr durch Corona-Maßnahmen geprägt sein wird.
Beim Faktor Geburten bleiben die Annahmen zurückhaltend. Zuletzt war bei der Geburtenrate ein leicht rückläufiger Trend erkennbar und entsprechend wird hier ein Wert veranschlagt, der unterhalb des Mittels des Stützzeitraums liegt. Zudem ist zuletzt eine Anspannung am Dortmunder Wohnungsmarkt erkennbar. Davon sind vielfach insbesondere Familien bzw. Haushalte im Familiengründungsalter, die sich im Vorfeld der Kinderplanung mit adäquatem Wohnraum versorgen wollen in starkem Maße betroffen. Dieser Entwicklung wurde insbesondere bei der Schätzung der innerstädtischen Geburtenziffer Gewicht beigemessen, die somit tendenziell etwas pessimistischer geschätzt wurde, als in den äußeren Bezirken.
Unter den zu schätzenden Werten ist die Lebenserwartung derjenige Faktor mit der konstantesten Entwicklung. So steigt die Lebenserwartung – auch in Dortmund – weitgehend konstant an. Bis 2030 wird die mittlere jährliche Entwicklung der vergangenen Dekade jährlich hinzuaddiert. Ein coronabedingtes, Absinken der Lebenserwartung ist aus den Jahreswerten von 2020 nicht ableitbar.
Stark intervenierende Größen, wie EU-Ein- und Austritte, Freizügigkeit, Pandemien, Extrema bei Geflüchtetenaufkommen und derglechen werden bei der Schätzung weitgehend außen vor gelassen, da sie in ihrer Wirkmacht für die Dortmunder Bevölkerungszahl nicht einzuschätzen sind. Dem Umstand geschuldet, dass die Berechnung bereits im vierten Quartal 2021 erfolgte, sind etwa der Krieg in der Ukraine und dessen Implikationen für die Bevölkerungsentwicklung der Stadt Dortmund nicht eingeflossen. Entsprechend soll in den kommenden Jahren das Ergebnis der Vorausberechnung dem Test der Zeit unterzogen und auf den Prüfstand gestellt werden. Die nächsten Jahresergebnisse werden wichtige Aufschlüsse darüber geben, wo die Einschätzungen zutreffend gewesen sind, wo nicht und welche Variablen sich different entwickelt haben.
Herausgeber Stadt Dortmund, Dortmunder Statistik, 44122 Dortmund, 05/2022
Redaktion Diana Andrä (verantwortlich), Tom Schlattmann, Pinar Yildiz
☎ (0231) 50-22124
Nachdruck, auch auszugsweise, mit Quellenangabe gestattet.
Das vorliegende Produkt wurde vollständig mit der Open-Source Software R erstellt. Die Dortmunder Statistik betreut die interkommunale Arbeitsgemeinschaft KO.R zur Entwicklung kommunalstatistischer Analyse- und Auswertungstools